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Das Thema Umwelt- und Klimaschutz halten junge Menschen in der Region für die größte Herausforderung, der unser Land gegenübersteht. Das zeigen Ergebnisse einer aktuellen Studie unter mehr als 500 jungen Menschen aus der InnoSÜD-Region Donau-Iller-Riß, die Wissenschaftler der Hochschulen Biberach und Neu-Ulm im Sommer und Herbst 2019 durchgeführt haben. Zentrale Erkenntnisse: Die Befragten, überwiegend Studierende, sehen es vor allem als Aufgabe von Unternehmen, Städten und Gemeinden und öffentlichen Einrichtungen, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Außerdem soll die Politik mit Gesetzen für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Die Befragten sind aber auch selbst bereit, ihr Verhalten umzustellen und sogar mehr Geld für ein klimaneutrales Leben auszugeben.

Umwelt- und Klimaschutz stehen für über 70 Prozent der jungen Menschen in der Region ganz oben auf der Liste der drängendsten Herausforderungen – und das mit weitem Abstand vor Themen wie Vertrauensverlust in die Politik bzw. Unzufriedenheit mit der Politik, Zuwanderung/Migration und soziale Sicherung bzw. soziale Gerechtigkeit.

Im Vergleich zu früheren Befragungen hat das Thema damit immens an Bedeutung gewonnen. Die aktuelle Studie enthält auch Fragen aus einer Studie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit aus dem Jahr 2016, in der ein Querschnitt der Bevölkerung ab 14 Jahren befragt wurde. Damals stand das Thema Zuwanderung/Migration an erster Stelle, gefolgt vom Bereich Kriminalität/Frieden/Sicherheit. Die Themen Umwelt- und Klimaschutz lagen mit weitem Abstand auf Platz drei.

„Die verschobenen Prioritäten liegen aber sicher auch daran, welche Themen in den Medien behandelt wurden,“ so Jens Boscheinen von der Hochschule Neu-Ulm, einer der beiden Wissenschaftler hinter der Studie. „2015 und 2016, zum Zeitpunkt der Befragung des Bundesumweltministeriums, war die Flüchtlingskrise das große Thema. Im vergangenen Jahr haben die Proteste von Fridays for Future die Debatte um den Klimawandel angeheizt.“

Befragte wünschen sich mehr Einsatz für Nachhaltigkeit von Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Politik
Angesichts der Bedeutung des Themas Umwelt- und Klimaschutz finden über 90% der Befragten, dass sich vor allem Unternehmen, Städte und Gemeinden sowie Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen mit Nachhaltigkeit beschäftigen sollten. Die Politik solle dazu beitragen, das Thema in der Gesellschaft zu verankern, zum Beispiel mit Gesetzen für Nachhaltigkeit.

Außerdem von der Politik gefordert: „Mehr handeln statt reden“. Für mehr als zwei Drittel der Befragten sollte Umweltschutz Vorrang für Deutschland haben – selbst, wenn er das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt. Dass die Kräfte des freien Marktes die nötigen Veränderungen ermöglichen werden, darauf vertrauen die jungen Leute kaum. Konkreten Maßnahmen stehen die Befragten allerdings unentschlossen gegenüber: Nur etwas mehr als die Hälfte von ihnen begrüßt zum Beispiel die Idee einer deutschlandweiten CO2-Steuer.

Ebenfalls gefragt sind Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, bemerkt Laurens Bortfeldt von der Hochschule Biberach: „Von den Bildungs- und Forschungseinrichtungen wünschen sich die Befragten mehr Aufklärung über Klimathemen, zum Beispiel als Inhalt von Vorlesungen und Unterricht. Außerdem sollen sie wissenschaftlich belegte Lösungsansätze und Fakten verarbeiten.“

Junge Menschen sind bereit, selbst mehr fürs Klima zu tun
Die jungen Menschen fordern aber nicht nur, sondern sind auch selbst zu handeln bereit: Über 80 Prozent finden, dass sich das eigene Umfeld mit dem Thema beschäftigen sollte und stimmen der Aussage zu: „Jede(r) einzelne von uns muss heute im eigenen Umfeld Verantwortung dafür übernehmen, dass wir für die nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umwelt erhalten“.

Dafür wären die Befragten sogar bereit, mehr zu zahlen: Über 70 Prozent halten es für vorstellbar, nach dem Ende ihres Studiums oder ihrer Ausbildung einen Teil ihres Einkommens für ein klimaneutrales Leben auszugeben – ein gutes Zehntel der Befragten würde sogar die Hälfte des späteren Einkommens dafür einsetzen. Nur gut drei Prozent wären dazu gar nicht bereit.

Handlungsmöglichkeiten sehen die Befragten vor allem im Bereich der Mobilität. Sie können sich vorstellen, die öffentlichen Verkehrsmittel oder das Fahrrad mehr zu nutzen und Autofahren und Fliegen zu reduzieren. In punkto Konsum und Essgewohnheiten schlagen sie zum Beispiel vor, regional und saisonal einzukaufen, sich vegan oder vegetarisch zu ernähren und Müll und Plastik zu vermeiden.

Das Engagement bei Protesten wie den Fridays for Future-Demonstrationen fällt dennoch gering aus: Nur fünf Prozent der Befragten sind selbst schon bei einer Demonstration mitgelaufen – und das, obwohl fast die Hälfte von ihnen glaubt, dass die Fridays for Future-Bewegung die Zukunft verändern wird.

Zur Studie: Gemeinschaftsprojekt der InnoSÜD-Verbundpartner Hochschule Biberach und Hochschule Neu-Ulm
Durchgeführt wurde die Studie von Wissenschaftlern aus zwei InnoSÜD-Teilprojekten, Jens Boscheinen von der Hochschule Neu-Ulm und Laurens Bortfeldt von der Hochschule Biberach. Beide beschäftigen sich in ihren Teilprojekten aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema Nachhaltigkeit. So entstand bei einem Treffen des InnoSÜD-Verbundes die Idee, gemeinsam eine Studie über Einstellungen junger Menschen zu Umwelt- und Klimaschutz zu starten.

Über 600 Studierende, Schüler*innen und Auszubildende im Alter von 10 bis 39 Jahren beteiligten sich an der Studie, darunter vor allem Studierende aus den Städten Biberach, Neu-Ulm, und Ulm sowie den angrenzenden Landkreisen. 507 der Online-Fragebögen konnten ausgewertet werden. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei circa 23 Jahren.

Hintergrund: InnoSÜD-Teilprojekt „CSR Innovation Circle“, Hochschule Neu-Ulm
Transparenz über soziale und ökologische Nachhaltigkeit ist großen wie mittelständischen Unternehmen Pflicht und Anliegen und wird von Kunden, Investoren, Politik und NGOs gefordert. Die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung machen jedoch eine verständliche Kommunikation zur Herausforderung. Ziel des CSR Innovation Circle ist die Transformation der Nachhaltigkeitsberichterstattung in Zeiten digitalen Wandels. Im Rahmen von Workshops bietet das InnoSÜD-Teilprojekt deshalb Unternehmen und Organisationen Impulse und Austauschmöglichkeiten dazu, wie Nachhaltigkeit als Wert im Unternehmen verankert und effektiv kommuniziert werden kann. In einem eigenen Blog beschäftigt sich das Teilprojekt außerdem mit dem Thema Nachhaltigkeit aus verschiedenen Perspektiven.

Hintergrund: InnoSÜD-Teilprojekt „Transfer Forschungsergebnisse interdisziplinär in der Energiewende“
Industrie und Politik, Umweltschutz und Infrastruktur, Bevölkerungswachstum und Bildung: Beim Klima spielen viele Faktoren zusammen. Diese komplexen Verbindungen macht das Computerspiel „Ecopolicy“ begreifbar. Als Bürgermeister*in müssen Spieler*innen dabei eine Stadt möglichst erfolgreich regieren. Wie die dabei getroffenen Entscheidungen sich auf das Klima auswirken, zeigt das InnoSÜD-Teilprojekt „Transfer Forschungsergebnisse Transdisziplinär in der Energiewende“ an der Hochschule Biberach. Mit Daten der Stadt Biberach hat das Team die Spielversion „Biberpolicy“ entwickelt, die auf echten Daten und Entwicklungen beruht. Die Erkenntnisse aus diesem Pilot können im weiteren Verlauf des Teilprojektes in eine detailliertere Simulation – ein sogenanntes Sensitivitätsmodell – einfließen, um Einschätzungen zu möglichen Entwicklungswegen für die Klimapolitik unterschiedlicher Kommunen, aber auch Unternehmen zu geben. Mit dem Spiel und dem Sensitivitätsmodell sollen Bürger*innen, aber auch Vertreter*innen von Politik und Verwaltung für die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf das Klima sensibilisiert und dadurch bei der Findung von Lösungswegen unterstützt werden.

Die ausführlichen Ergebnisse zum Download: