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Am 11. Mai 2022 fanden die dritten InnoSÜD Kreise als Online-Event statt. Fünf Unternehmensvertreter schauten auf den Klimawandel als globale Herausforderung für Wissenschaft und Wirtschaft und diskutierten mit rund 60 Teilnehmenden die Frage: Wie schaffen wir das eigentlich?

Nach der Begrüßung von Frau Dr. Kipper-Albertini der Geschäftsleitung von InnoSÜD führte die Ulmer ZDF-Moderatorin Dana Hoffmann durch die Veranstaltung.

CO2-Reduzierung zwischen Strategie und Aktionismus

Stephan Schunkert, Gründer und Geschäftsführer der KlimAktiv gGmbH aus Tübingen, machte den Auftakt und stellte den Menschen und das strategische Konzept in den Fokus. „Ohne ein Verständnis dafür warum man CO2 einsparen soll, ohne eine Motivation und einen Sinn dahinter, wird der Weg zur Klimaneutralität nicht gelingen.“ So legt er allen Unternehmen nahe, sich nach einer eingängigen Ist-Analyse, zunächst die direkt beeinflussbaren Emissionsquellen zu reduzieren und damit die „low hangig fruits“ zu ernten. „Ein typisches Beispiel ist die Umstellung von konventionell erzeugtem Strom auf Ökostrom“, so Schunkert. Die Herausforderungen werden darin bestehen die Bereiche zu verändern, welche nicht mehr direkt gesteuert werden können. Dennoch lohnt es sich gerade für diese Bereiche eine Vision zu entwickeln und die Mitarbeitenden hierzu mitzunehmen. So sind Angebote zum Carpooling, der Abbau von Dienstwägen oder die Förderung des Umstiegs auf umweltfreundliche Verkehrsmittel ideale Impulse, um den CO2-Ausstoß auf dem Arbeitsweg zu verringern.

Revolution im Güterverkehr – Klimareduzierung als Geschäftsmodell

Dass Klimareduzierung nicht nur Geld kostet, sondern auch einen operativen Ertrag erbringen kann, zeigte Heinz Tengler, Senior Vice President Strategic Projects Mobility Voith Turbo und Mitglied der Senioren der Wirtschaft. Die Mobilität weist seit Jahren die mit Abstand schlechteste Entwicklung in der CO2-Reduzierung auf. Dies liegt unter anderem daran, dass lediglich 18 Prozent des Gütertransportes auf der Schiene stattfinden. Ein Lösungsansatz für einen attraktiveren und effizienteren Schienenverkehr sind automatisierte Kupplungssysteme, beispielsweise der Firma Voith, welche die bisherige manuelle Handhabung ablösen. Das Ziel ist, 2029 90 Prozent aller Güterzüge umgerüstet zu haben – bei laufendem Betrieb. „Eine enorme Herausforderung, aber auch ein ehrgeiziges Ziel“, so Tengler.

Einblicke und Herausforderungen in der Praxis

Neben den beiden Impulsgebern nahmen an der anschließenden Diskussion Klaus Eder, Geschäftsführer SWU Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH, Henryk Badack, Senior Vice President Techn. Services & Internes Projektmanagement Vetter Pharma-Fertigung GmbH & Co.KG sowie Philip Gassmann, Geschäftsführer, Regisseur, Producer, Autor bei green film tools teil. Welche Relevanz das Thema besitzt zeigte ein zwei Tage zuvor veröffentlichter Artikel den Dana Hofmann aufgreift, welcher den Anstieg der Temperatur um 1,5 Grad bereits wesentlich früher vorhersagt. „Das Thema ist ja nicht neu, es stand nur lange nicht so im Fokus wie jetzt“, so Klaus Eder. „Spätestens seit der Shell-Studie in den 90er Jahren sollte jedem Energieanbieter, aber auch jedem Unternehmen bewusst sein, dass wir mehr auf Ressourcen setzen müssen, die klima- und umweltschonend sind.“ Ein Weg das umzusetzen zeigt Henryk Badack. Seit Jahren bieten sie den Mitarbeitenden die Möglichkeit eines Jobrades an, mit Erfolg. Fast die Hälfte der Belegschaft hat es bereits genutzt und kommt klimaschonender zur Arbeit. Dennoch sieht auch er Luft nach oben. „Große Konzerne schaffen es nicht eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren, da müssen wir ansetzen. Dass wir alle Materialien länger nutzen und wiederverwenden, selbst wenn das auch zu gewissen Teilen eine Abkehr weg von rein marktwirtschaftlichen Mechanismen bedeutet.“

Bürger:innen und Mitarbeiter:innen mitnehmen

Damit diese Prozesse erfolgreich sind, reicht es nicht sie top-down zu implementieren. Mitarbeitende sollten von Anfang an, bereits beim Thema der Motivation mitgenommen und eingebunden werden. Aber Klimaneutralität bedeutet auch das Verändern der eigenen, privaten Handlungsroutinen. „Für Klimaneutralität ist zunächst auch jeder selbst verantwortlich“, so Eder. Das zeigt auch ein Blick in die Filmindustrie, welche laut Gassmann lange Zeit unter dem Radar fliegen konnte. „Wir wurden einfach nicht verdächtigt, dass wir Emittent sind, weil wir ja immer so schöne Bilder produzieren“, fügt er ironisch hinzu bevor er den Finger in die Wunde legt. „In der Filmindustrie wird viel gebaut und direkt wieder abgerissen und weggeworfen. Wir fahren in unterschiedliche Länder und Bundesländer, damit wir Förderungen bekommen und einen Film produzieren können aber dafür muss die gesamte Crew und das gesamte Material quer durch die Welt gefahren werden. Da muss sich auch bei den Förderungen etwas ändern.“ Damit das passiert wurde er selbst aktiv und entwickelte zusammen mit Partnern eine Selbstverpflichtung für die gesamte Film- und TV-Branche, noch bevor Forderungen aus der Politik aufkamen.

Doch dass es trotz guter Ideen und Konzepte noch ein weiter Weg ist bestätigen alle Diskutanten. „Wir sind eine green factory, aber wir haben enorme Energiebedarfe bei der Abfüllung im Reinraum. Zudem liegt unser Unternehmen im Grünen, da ist der ÖPNV so schlecht ausgebaut, da bedarf es noch ganz anderer Maßnahmen als den bislang getroffenen“, so Bardack. Auch Klaus Eder pflichtet bei: „Es braucht sieben Jahre um eine Windenergieanlage von Verfahrensbeginn bin zur Fertigstellung zu bringen. Das geht einfach nicht, da müssen wir schneller werden.“ Dass das dringend notwendig ist macht Stephen Schunkert deutlich und bezieht sich auf Nicholas Stern. „Wenn wir nicht handeln kostet uns das ‚immer weiter so‘ 20 Prozent unseres Bruttoinlandproduktes, also einen weit höheren Teil, als uns eine Umstellung und Änderung kosten würde.“

Das Team der InnoSÜD-Kreise Laurens Bortfeld, Jens Boscheinen, Jan Fiedler, Alexandra Jussli und Rebeca Rittersberger freut sich sehr darüber, dass so viele bereit waren über Ihren Tellerrand zu schauen und sich rege an dem lebhaften und interessanten Austausch beteiligt haben.

Das Team der InnoSÜD-Kreise

Konzipiert und organisiert werden die InnoSÜD-Kreise von einem interdisziplinären Team aus Wissenschaftler:innen der Hochschulen Biberach und Neu-Ulm mit Unterstützung der InnoSÜD-Transferagentur. In ihren InnoSÜD-Teilprojekten beschäftigen sie sich mit ganz unterschiedlichen Themen: Von Biotechnologie über Nachhaltigkeit und Digitalisierung bis hin zu Mixed Reality. Mit den InnoSÜD-Kreisen möchten sie diese verschiedenen Perspektiven zusammenführen und so den branchen- und fachbereichsübergreifenden Austausch anregen.

Hintergrund: Regionaler Forschungsverbund InnoSÜD

Mit innovativen Transferformaten einen nachhaltig wirksamen Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ermöglichen, das ist das Ziel des Hochschulverbundes InnoSÜD. Im Rahmen der Initiative Innovative Hochschule haben sich darin die Hochschulen Biberach, Neu-Ulm, Ulm und die Universität Ulm zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie ein dynamisches Innovationssystem schaffen, das die Region Donau-Iller-Riß als Bindeglied zwischen den Metropolregionen Stuttgart und München mittelfristig unter den wettbewerbs- und innovationsfähigsten Räumen Europas positioniert. Im Fokus stehen dabei die für die Region wichtigen Themenfelder Energie, Mobilität, Gesundheit und Biotechnologie sowie Transformationsmanagement. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt im Rahmen der Bund-Länder-Initiative Innovative Hochschule über eine Laufzeit von fünf Jahren.

Weiterführende Links:

InnoSÜD-Kreise: www.innosued.de/kreise22-klima

Text: Jens Boscheinen, Wissenschaftlicher Mitarbeiter InnoSÜD, Projekt CSR Innovation Circle.

Kontakt InnoSÜD:
Geschäftsleitung der Transferagentur: Dr. Julia Kipper-Albertini, kipper-albertini@hochschule-bc.de

Team:
Laurens Bortfeldt
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Gebäude- und Energiesysteme (IGE)

Jens Boscheinen
Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Nachhaltigkeit und digitale Kommunikation,
Hochschule Neu-Ulm

Jan Fiedler
Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Gebiet Virtual / Augmented Reality

Alexandra Jussli
Wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Gebiet „Innovationsmanagement mit Design Thinkin“

Rebecca Rittersberger
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut für angewandte Biotechnologie,
Hochschule Biberach