Seite wählen

Mithilfe von Viren genetisch bedingte Krankheiten bekämpfen: Das ist die Idee hinter der Gentherapie, mit der sich auch InnoSÜD-Forscher:innen am Universitätsklinikum Ulm beschäftigen. Dabei sollen Viren fehlende genetische Informationen in den Körper bringen oder dort gezielt Krebszellen zerstören – ohne dabei selbst Symptome einer Viruserkrankung auszulösen. Wie diese sogenannten viralen Vektoren überhaupt in den Körper und dort an ihr Ziel gelangen, damit beschäftigen sich zwei InnoSÜD-Teilprojekte an der Universität Ulm. Ihre Erkenntnisse dazu sind nun in einer internationalen Studie frei zugänglich veröffentlicht.

Viren sind eine Bedrohung: Sie dringen in Zellen ein, zerstören diese und schaden damit dem Körper. Aber was, wenn genau diese zerstörerische Kraft helfen kann, Krankheiten zu bekämpfen? Das ist eine der Fragen, mit denen sich die Forschung zur Gentherapie beschäftigt.

Großes Potenzial bietet dieser Therapieansatz zum Beispiel bei der Bekämpfung von Krebserkrankungen: Hierbei werden Viren in den Körper eingebracht, die ideal geeignet sind, Krebszellen zu infizieren und zu zerstören. Zuvor werden die Viren so verändert, dass sie sich nur noch in Krebszellen, nicht aber in gesunden Körperzellen vermehren können, und keine Viruserkrankung mehr auslösen.

Soweit die Idee. Aber: Wie kommen die Viren in den Körper – und dort an die richtige Stelle? Die entschärften und perfekt auf ihre Aufgabe zugeschnittenen Viren könnten einfach gespritzt werden, so Robin Nilson, der gerade gemeinsam mit anderen Forscher:innen eine Studie zu dieser Frage veröffentlicht hat. „Das Problem dabei ist, dass sie vom Immunsystem angegriffen werden und viel von der therapeutischen Wirkung verloren geht. Effektiver kann es daher sein, körpereigene Zellen als Transportmittel zu nehmen, die die Viren direkt an die richtige Stelle bringen.“

Das InnoSÜD-Team an der Abteilung für Gentherapie des Universitätsklinikums Ulm nutzt dafür sogenannte mesenchymale Stromazellen, kurz MSCs. „MSCs können sich im Körper zielgerichtet bewegen, zum Beispiel hin zu Entzündungsherden wie Tumoren“, erklärt Robin Nilson. „Daher eignen sich diese Zellen besonders gut als „Taxi“ für Viren, um diese sicher zum Tumor zu transportieren.“

Neben vier bereits als Enhancer bekannten Substanzen hat Robin Nilson noch zwei weitere getestet, mit vielversprechendem Ergebnis: „Die zwei Polyamine, die wir erstmals als Enhancer verwendet haben, sind deutlich effektiver als die bislang für diesen Zweck bekannten Substanzen. Und: Polyamine kommen natürlicherweise im menschlichen Körper vor. Für zukünftige Therapien könnte das von Bedeutung sein, da der Körper die Substanzen abbauen kann. Auch das Risiko für Abstoßungsreaktionen könnte dadurch geringer sein. Damit sind wir einen wichtigen Schritt weiter auf dem Weg zum therapeutischen Einsatz von Adenoviren gegen Krebszellen “

Und: Die Studie wurde mit menschlichen MSCs durchgeführt – eine weitere Besonderheit, betont Prof. Dr. Stefan Kochanek, Leiter der Abteilung für Gentherapie am Universitätsklinikum Ulm. „Bislang wurde in diesem Bereich hauptsächlich mit tierischen Zellen geforscht, da die Isolation und Kultivierung menschlicher MSCs sehr komplex und aufwendig ist. Die MSCs für diese Studien wurden vom Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm hergestellt Dort werden standardisierte Verfahren dafür entwickelt, MSCs zu gewinnen, zu vermehren und zu optimieren. Diese können dann zum Beispiel zur Behandlung von Entzündungserkrankungen und für die Knochen- oder Wundheilung eingesetzt werden.“

Die neuen Erkenntnisse könnten also auch in solchen Bereichen zur Anwendung kommen, erklärt Dr. Astrid Kritzinger, die ebenfalls an der Studie beteiligt war: „MSCs haben viele Eigenschaften, die für die Gentherapie nutzbar sind. Unter anderem stellen sie ein Protein her, das einen positiven Einfluss auf die Wundheilung hat. Wir haben einen adenoviralen Vektor so modifiziert, dass er MSCs dazu bringt, mehr von eben diesem Protein zu produzieren.“ Außerdem können die Erkenntnisse der Studie in die Forschung anderer Einrichtungen fließen, die weitere Anwendungen für die Gentherapie erforschen – und so helfen, viele verschiedene Krankheiten zu bekämpfen.

Hintergrund: InnoSÜD – Innovationstransfer für die Region Donau-Iller-Riß

Mit innovativen Transferformaten einen nachhaltig wirksamen Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ermöglichen, das ist das Ziel des Hochschulverbundes InnoSÜD. Im Rahmen der Initiative Innovative Hochschule haben sich darin die Hochschulen Biberach und Neu-Ulm, die Technische Hochschule Ulm, die Universität Ulm und die Firma TriCAT zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie ein dynamisches Innovationssystem schaffen, das die Region Donau-Iller-Riß als Bindeglied zwischen den Metropolregionen Stuttgart und München mittelfristig unter den wettbewerbs- und innovationsfähigsten Räumen Europas positioniert.

Im Fokus stehen dabei die für die Region wichtigen Themenfelder Energie, Mobilität, Gesundheit und Biotechnologie sowie Transformationsmanagement. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt im Rahmen der Bund-Länder-Initiative Innovative Hochschule über eine Laufzeit von fünf Jahren.

Ansprechperson für Rückfragen:

Robin Nilson, Abteilung für Gentherapie am Universitätsklinikum Ulm
E-Mail: robin.nilson@uni-​ulm.de

Weitere Informationen:

Vollständige Studie in englischer Sprache (Open Access)

Abteilung für Gentherapie am Universitätsklinikum Ulm

Beteiligte InnoSÜD-Teilprojekte:

Teilprojekt „Anwendungsorientierte Promotionen in der Biomedizin“

Teilprojekt “Viral Vector Core Facility”

Text: Dorothee Barsch, InnoSÜD

Bild: Universität Ulm