Migrantinnen beim Gründen unterstützen: Das will ein InnoSÜD-Teilprojekt der Hochschule Neu-Ulm. Im September ist es mit einem Auftaktworkshop im Institut für Bildung gestartet. In den nächsten Monaten werden 12 Teilnehmerinnen mit Workshops und individuellem Mentoring auf die Unternehmensgründung vorbereitet. Teilprojektleiterin Prof. Dr. Julia Künkele arbeitet dabei mit Meltem Madenci zusammen, Gründerin und Geschäftsführerin des Instituts für Bildung und Sprachen GmbH in Ulm.
[Neu-Ulm/Ulm] – „Über 70 Prozent der neuen Unternehmen in Deutschland werden von Männern gegründet,“ berichtet Prof. Dr. Julia Künkele, die das InnoSÜD-Teilprojekt an der Hochschule Neu-Ulm leitet. „Der Berufswunsch „Gründer“ ist bei Frauen kaum vorhanden – sie bevorzugen berufliche und finanzielle Sicherheit.“ Dass Gründen aber gerade für Frauen auch eine Chance sein kann, möchte die Spezialistin für Führungsverständnis mit dem Gründungsmentoring zeigen. Und ist dabei auf eine Gruppe gestoßen, die noch viel seltener gründet: Migrantinnen.
Neben den Herausforderungen, vor denen die meisten Gründer*innen stehen, kommen bei ihnen noch weitere Hürden hinzu – in erster Linie die Sprache. Deshalb ist als Partner im Projekt das Institut für Bildung und Sprachen GmbH dabei, das an acht Standorten in der Region unter anderem Sprach- und Integrationskurse anbietet. Die Projekt-Teilnehmerinnen besuchen dort solche Kurse; einige von ihnen sind erst seit einigen Monaten in Deutschland und lernen noch die Sprache. „Wir sind die erste Anlaufstelle für die Frauen hier im Land,“ erklärt Gründerin und Geschäftsführerin Meltem Madenci. Sie versteht auch aus eigener Erfahrung, was die Teilnehmerinnen beschäftigt: „Ich habe mich selbst vor 15 Jahren mit dem Institut für Bildung und Sprachen selbständig gemacht und weiß, wie schwierig das ist. Aber wir brauchen die Potenziale, die in den Frauen schlummern.“
An Geschäftsideen mangelt es den Frauen nicht, wie die Vorstellungsrunde offenbart. Restaurant, IT-Beratungsfirma, Schönheitssalon oder interkulturelles Begegnungscafé: Die Projektteilnehmerinnen kommen zum Teil schon mit konkreten Gründungsvorhaben zur Auftaktveranstaltung. Sie bringen viele Fragen mit: Was muss ich beim Gründen beachten? Brauche ich für meine Geschäftsidee eine Genehmigung? Gibt es finanzielle Förderung?
Diese Fragen sollen im Lauf des Projekts geklärt werden. Unterstützt wird das Team deshalb von Unternehmensberaterin Hildegard Kuch-Kuthe und Businesscoach Manuela Orlowitsch, die Frauen beim Gründen beraten. Beim Auftakt-Workshop gaben sie den Teilnehmerinnen die wichtigsten Fragen mit, die für eine Gründung zu klären sind – allen voran die Frage: „Warum wollen Sie gründen?“
Die Antworten sind vielfältig: Eine Kursteilnehmerin aus Ungarn will als IT-Beraterin flexibel und selbstbestimmt arbeiten und nicht einem Chef verpflichtet sein. Eine Teilnehmerin aus Afghanistan will mit einem Restaurant das in ihrer Heimat verbreitete Vorurteil widerlegen, dass Frauen nicht alleine ein Unternehmen führen können. Eine dritte Teilnehmerin kommt aus der Ukraine und ist eigentlich Beraterin, möchte aber mit einem Nagelstudio ihr Hobby zum Beruf machen.
Ein Wunsch eint alle Teilnehmerinnen: Sich mit der Gründung hier in Deutschland eine neue, unabhängige Existenz aufzubauen. Die fremde Sprache, Kultur und Bürokratie sind dabei ein Hindernis – aber viele hoffen auch darauf, dass sich ihnen hier in Deutschland Chancen bieten, die sie vorher nicht in dem Maße hatten. Diese Hoffnung beobachtet auch Meltem Madenci: „Die Frauen äußern unter anderem den Wunsch nach Selbständigkeit. Da sehe ich einen Umbruch in der Denkweise, zum Beispiel was die Männer- und Frauenrollen angeht – es sind nicht mehr nur Männer, die sich selbständig machen. Dieses Denken war mir vor 15 Jahren nicht bekannt.“
Um diese Chance zu nutzen und ihre Pläne in die Tat umzusetzen, werden die Frauen in den kommenden Monaten mit weiteren Seminaren und individuellem Mentoring unterstützt; Expert*innen geben Input und Hilfestellung rund ums Gründen. Und: Die Teilnehmerinnen sind eingebunden in ein Netzwerk von Frauen, die sich gegenseitig unterstützen.
Das Projekt ist für vorerst 2 Jahre geplant. „Wenn es erfolgreich verläuft, könnte es eventuell auch auf weitere Integrationskurse ausgeweitet werden,“ so Prof. Dr. Künkele.
Text: Dorothee Barsch, InnoSÜD-Wissenschaftskommunikation
Hinweis: Das Foto entstand bei einer Veranstaltung im September in Ulm unter Einhaltung der zu diesem Zeitpunkt gültigen Corona-Verordnungen des Landes Baden-Württemberg.